Aktuelles | 04. Juni 2020

Grundversorger: Je später das Jahr, desto stärker steigen die Preise

Schon mit der Bekanntgabe der gesetzlichen Umlagen im Oktober vergangenen Jahres war zu erwarten, dass die Preise in der Stromgrundversorgung im Jahr 2020 steigen (vgl. Aktuelles). Die Entwicklung der Verteilnetzentgelte (z. B. +5,5 Prozent für einen Familienhaushalt, vgl. Newsletter Netznutzung Strom Nr. 109) deutete in die gleiche Richtung. Im November wurden bereits die ersten Preisanpassungen zum Jahreswechsel veröffentlicht, und den steigenden Strompreisen war eine große mediale Aufmerksamkeit gewiss.

Ins­be­son­de­re Wech­sel­por­ta­le ver­stan­den es wie­der, mit publi­kums­wirk­sa­men Ver­än­de­rungs­ana­ly­sen zu deut­lich stei­gen­den Strom­prei­sen Inter­es­se an den eige­nen, pro­vi­si­ons­träch­ti­gen Dienst­leis­tun­gen zu wecken. Dabei lagen sie mit ihren Berech­nun­gen nicht grund­sätz­lich falsch, tat­säch­lich las­sen sich zum 1. Janu­ar 2020 ins­ge­samt 507 Grund­ver­sor­gungs­ta­ri­fe mit neu­er Preis­stel­lung fin­den, von denen 468 teu­rer wur­den. Berech­net am Abnah­me­fall eines Fami­li­en­haus­halts mit 3.500 kWh Jah­res­ver­brauch stie­gen die Prei­se bei den Kun­den die­ser Ver­sor­ger rech­ne­risch um 5,3 Pro­zent. Betrof­fen waren davon aller­dings zunächst nur 3.839 von über 15.000 Post­leit­zahl-Ort-Kom­bi­na­tio­nen in Deutsch­land, was die Preis­an­he­bun­gen im lan­des­wei­ten Durch­schnitt rela­ti­viert. In 101 Postor­ten blie­ben die Prei­se im neu­en Tarif unver­än­dert. In nur 2 Postor­ten san­ken die Prei­se dage­gen leicht, näm­lich im Ver­sor­gungs­ge­biet der Nah­werk-Ener­gie in Rhein­land-Pfalz (-0,3 Pro­zent von 981,93 auf 979,31 Euro). Deut­li­che Preis­sprün­ge lie­ßen sich zum Jah­res­wech­sel bei den Stadt­wer­ken Her­born in Hes­sen (+15,2 Pro­zent von 940,69 auf 1.083,71 Euro) und der ENRW Ener­gie­ver­sor­gung Rott­weil in Baden-Würt­tem­berg (+13,6 Pro­zent von 892,87 auf 1.013,85 Euro) beob­ach­ten. Im gewich­te­ten Durch­schnitt, der die Grö­ße der Ver­sor­gungs­ge­bie­te ein­be­rech­net, stie­gen die geän­der­ten Prei­se um +5,5 Pro­zent. Die Elek­tri­zi­täts­ge­nos­sen­schaft Has­ber­gen in Nie­der­sach­sen blieb dabei mit unver­än­dert 816,77 Euro der güns­tigs­te Grund­ver­sor­ger, die Stadt­wer­ke Zeitz in Sach­sen-Anhalt (+3 Pro­zent von 1.179,55 auf 1.214,55 Euro) der teuerste.

Eher wenig Bewe­gung zeig­te sich in den Tari­fen dage­gen zum 1. Febru­ar. Ände­run­gen wur­den nur für 875 Postor­te ver­öf­fent­licht. Davon stie­gen die Tari­fe in 796 Fäl­len, in 774 sogar um 5 Pro­zent oder mehr. Nur 79 Postor­te mit unver­än­der­ten Prei­sen drück­ten die durch­schnitt­li­che Erhö­hung von 8 Pro­zent im gewich­te­ten Schnitt auf 7,3 Pro­zent, die Teue­rung fällt somit im Schnitt deut­lich höher aus als zum Janu­ar. Die stärks­te Preis­er­hö­hung nahm die EWR Akti­en­ge­sell­schaft (Rhein­land-Pfalz) in ihrem Tarif EWR Basis­strom“ (+9,3 Pro­zent von 967,23 auf 1.057,03 Euro) vor. Auch die nie­der­säch­si­schen Stadt­wer­ke Osna­brück ver­teu­er­ten die Grund­ver­sor­gung deut­lich um +9 Pro­zent auf 964,20 Euro, wobei sich der Preis aber noch unter dem Durch­schnitt befin­det. Preis­sen­kun­gen fan­den sich kei­ne. Die güns­tigs­te neue Tari­fie­rung fand sich trotz sie­ben­pro­zen­ti­ger Anhe­bung beim EVU Wei­ler­bach in Rhein­land-Pfalz (von 835,80 auf 894,60 Euro), die teu­ers­te bei den Stadt­wer­ken Wedel in Schles­wig-Hol­stein (+6,5 Pro­zent von 1.019,09 auf 1.084,89 Euro).

Obwohl das media­le Inter­es­se nach den ers­ten bei­den Stich­ta­gen des Jah­res lang­sam abflau­te, lohnt sich der Blick auf das wei­te­re ers­te Halb­jahr. Denn auch wenn die meis­ten Tarif­an­pas­sun­gen übli­cher­wei­se zum Jah­res­wech­sel voll­zo­gen wer­den, sobald Netz­ent­gel­te und Umla­gen bekannt sind, streck­ten sich die Ver­öf­fent­li­chun­gen über die ers­te Jah­res­hälf­te 2020.

Zeit­punkt der Preis­än­de­run­gen in der Grund­ver­sor­gung 2020

Zum 1. März waren wie­der deut­lich mehr Postor­te von Tarif­an­pas­sun­gen betrof­fen. In 2.442 Fäl­len blieb der Preis unver­än­dert, in 3.445 stie­gen die Kos­ten, nun schon durch­schnitt­lich um 8,9 Pro­zent. Nur die Gebie­te mit aktua­li­sier­ten Tari­fen, aber unver­än­der­ten Prei­sen drück­ten die durch­schnitt­li­che Teue­rung noch auf 5 Pro­zent. In 516 Postor­ten stie­gen die Prei­se um mehr als 10 Pro­zent. Hier­von waren auch die Grund­ver­sor­gungs­ge­bie­te der E.ON Ener­gie Deutsch­land betrof­fen, z. B. im hes­si­schen Nid­der­au (+15 Pro­zent von 919,91 auf 1.058,23 Euro) sowie in gro­ßen Tei­len der unter­schied­li­chen Ver­sor­gungs­ge­bie­te Nie­der­sach­sens (+14,4 Pro­zent von 892,31 auf 1.020,50 Euro; bzw. +13,6 Pro­zent von 884,74 auf 1.005,22 Euro). Eine Preis­sen­kung nahm nur ein Grund­ver­sor­ger vor. Den damit güns­tigs­ten neu­en Tarif ver­öf­fent­lich­ten die Stadt­wer­ke Baden-Baden in Baden-Würt­tem­berg (-1,7 Pro­zent von 902,37 auf 886,58 Euro), den teu­ers­ten die Stadt­wer­ke Burg in Sach­sen-Anhalt (+7,6 Pro­zent von 1.035,92 auf 1.114,68 Euro).

Zum Stich­tag 1. April fan­den sich kei­ne unver­än­der­ten Tarif­stel­lun­gen oder Sen­kun­gen, die den mitt­le­ren Preis­an­stieg noch redu­zie­ren konn­ten. In 1.839 Postor­ten stie­gen die Prei­se im Schnitt um 8,8 Pro­zent, in 539 Fäl­len um mehr als 10 Pro­zent. Die Pfalz­wer­ke Akti­en­ge­sell­schaft in Rhein­land-Pfalz erhöh­ten um +12,9 Pro­zent (von 922,15 auf 1.041,18 Euro), die nie­der­säch­si­schen Stadt­wer­ke Garb­sen um +12,6 Pro­zent (von 860,75 auf 969,20 Euro). Der güns­tigs­te Tarif fand sich trotz Erhö­hung bei den Stadt­wer­ken Hamm (NRW, +4,7 Pro­zent von 840,40 auf 879,45 Euro), der teu­ers­te mit Tarif E“ bei den Gemein­de­wer­ken Hals­ten­bek in Schles­wig-Hol­stein (+6,1 Pro­zent von 1.042,15 auf 1.105,15 Euro) – davon ist jedoch auch nur der Post­ort Hals­ten­bek betroffen.

Doch auch die bereits durch­ge­führ­ten Preis­stei­ge­run­gen wur­den noch über­trof­fen. Zum 1. Mai ver­teu­er­ten sich die Grund­ver­sor­gungs­ta­ri­fe in wei­te­ren 1.226 Postor­ten, in 1.150 davon um mehr als 10 Pro­zent – im gewich­te­ten Durch­schnitt sogar um 13,3 Pro­zent. Sin­ken­de oder gleich­blei­ben­de Prei­se fan­den sich nicht. Dies betraf auch die E.ON Ener­gie Deutsch­land, dies­mal in Schles­wig-Hol­stein (+13,7 Pro­zent von 1.015,95 auf 1.155,38 Euro) – zugleich der teu­ers­te neu ver­öf­fent­lich­te Preis. Aller­dings ver­öf­fent­lich­te E.ON in 5 Postor­ten im Land­kreis Hameln-Pyr­mont (Nie­der­sach­sen) gleich­zei­tig auch die güns­tigs­te Preis­stel­lung (+3,5 Pro­zent von 884,74 auf 915,49 Euro). Zum 1. Juni und 1. Juli wur­den kei­ne wei­te­ren Grund­ver­sor­gungs­ta­ri­fe ver­öf­fent­licht, 1.335 Postor­te ver­blei­ben vor­erst auf dem Preis­ni­veau des Vorjahres.

Preis­än­de­run­gen in der Grund­ver­sor­gung 2020 in Pro­zent
Abnah­me­fall: Fami­li­en­haus­halt, 3.500 kWh/​Jahr

Wenig über­ra­schend fol­gen die beob­ach­te­ten Preis­er­hö­hun­gen der ange­stamm­ten Ver­sor­ger vie­ler­orts den gestie­ge­nen Ver­teil­netz­ent­gel­ten, bspw. in den Netz­ge­bie­ten der Schles­wig-Hol­stein Netz, EWE Netz, West­netz, Net­ze BW oder MIT­NETZ Strom. Aber es gibt auch Aus­nah­men: In Meck­len­burg-Vor­pom­mern und Bran­den­burg blei­ben die E.ON-Preise teil­wei­se unver­än­dert, obwohl die Ent­gel­te im E.DIS Netz gestie­gen sind. Glei­ches lässt sich im Bay­ern­werk-Netz beobachten.

Nicht immer sind die Preis­ge­stal­tun­gen jedoch nach­zu­voll­zie­hen. Nach Berech­nun­gen des BDEW machen die Netz­ent­gel­te beim betrach­te­ten Abnah­me­fall im Jahr 2020 durch­schnitt­lich 25 Pro­zent des Strom­prei­ses aus, die Umla­gen rund 52 Pro­zent. Wenn die bei­den Preis­be­stand­tei­le um 5,5 Pro­zent bzw. rund 3 Pro­zent gestie­gen sind, las­sen sich damit kei­ne flä­chen­de­cken­den Tarif­er­hö­hun­gen um mehr als 10 Pro­zent erklä­ren, zumal der Bör­sen­preis für Strom nicht erst seit der Coro­na-Pan­de­mie deut­lich gesun­ken ist. Auch der Zeit­punkt der Ver­öf­fent­li­chun­gen macht stut­zig: Je spä­ter die neu­en Prei­se in Kraft tra­ten, des­to höher fiel im Schnitt die Teue­rung aus. Fast drängt sich der Ver­dacht auf, dass beson­ders unpo­pu­lä­re Preis­er­hö­hun­gen bewusst erst spä­ter im Halb­jahr vor­ge­nom­men wur­den, um sie nicht der grö­ße­ren öffent­li­chen Auf­merk­sam­keit zu Jah­res­be­ginn auszusetzen.

Nun mögen die Preis­ge­stal­tun­gen der ein­zel­nen Ver­sor­ger in sich plau­si­bel sein, für Ver­brau­cher stel­len sie aber eine deut­li­che Mehr­be­las­tung dar. Im gewich­te­ten Schnitt über alle aktu­el­len Grund­ver­sor­gungs­ta­ri­fe muss der Mus­ter­haus­halt 1.025,38 statt 968,13 Euro bezah­len. Das ent­spricht einem Plus von 5,9 Pro­zent. Zwi­schen dem güns­tigs­ten Ver­sor­ger EG Has­ber­gen und dem teu­ers­ten, den Stadt­wer­ken Zeitz, liegt dabei eine Preis­sprei­zung von 48,7 Pro­zent vor. Für Strom­ver­trie­be eröff­net dies dage­gen will­kom­me­ne Chan­cen – Preis­sprün­ge im zwei­stel­li­gen Pro­zent­be­reich sind fast schon eine Ein­la­dung, mit einem Wett­be­werbs­pro­dukt in den betref­fen­den Postor­ten Markt­an­tei­le zu erobern.

Beson­de­re Auf­merk­sam­keit dürf­te in die­sen Tagen auch die Preis­ent­wick­lung in den ange­stamm­ten Lie­fer­ge­bie­ten von E.ON und Inno­gy erfah­ren. Bereits 2018 stell­te sich im News­let­ter End­kun­den­ta­ri­fe Strom Nr. 58 die Fra­ge, wie sich die Grund­ver­sor­gung nach dem Asset-Tausch von RWE und E.ON ent­wi­ckeln wird. Mit der aktu­el­len Kla­ge von 11 Kom­mu­nal­ver­sor­gern (dar­un­ter Ener­ci­ty, Mai­no­va und TEAG sowie Natur­strom) beim Euro­päi­schen Gericht (EuG) gegen den Frei­ga­be­be­schluss der Euro­päi­schen Kom­mis­si­on zu die­ser soge­nann­ten Markt­neu­auf­tei­lung“ könn­te das The­ma erneut Inter­es­se wecken.

Die Zah­len sind klar: E.ON und Inno­gy ver­sor­gen aktu­ell ins­ge­samt 6.139 Post­leit­zahl-Ort-Kom­bi­na­tio­nen grund­stän­dig, in 2.441 davon haben sich die Prei­se im Jahr 2020 nicht geän­dert. Preis­sen­kun­gen gab es kei­ne, aber Erhö­hun­gen in 3.698 Postor­ten – im Schnitt um 10,9 Pro­zent. Wei­te­re Mehr­heits­be­tei­li­gun­gen bei­der Kon­zer­ne sind dabei nicht berücksichtigt.

Metho­dik: Alle Prei­se ver­ste­hen sich net­to. Betrach­tet wur­den ins­ge­samt 15.104 Kom­bi­na­tio­nen aus Post­leit­zahl, Ort und Netz­ge­biet (syn­onym Postor­te“). Durch­schnitts­wer­te wur­den – sofern nicht anders gekenn­zeich­net – nach der Grö­ße des Grund­ver­sor­gungs­ge­biets (Anzahl der ver­sorg­ten Postor­te) gewich­tet. Den Berech­nun­gen liegt ein Mus­ter­haus­halt mit einem Jah­res­ver­brauch von 3.500 kWh in der Grund­ver­sor­gung zugrun­de. In den Ver­än­de­rungs­ana­ly­sen wur­den die Stich­ta­ge 01.01., 01.02., 01.03., 01.04., 01.05., 01.06.2020 mit dem Preis­stand vom 31.12.2019 verglichen.

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