Als Abnahmefall dient der spezifische Arbeitspreis eines Familienhaushalts mit einem Jahresverbrauch von 3.500 kWh. Die nach Größe der Netzgebiete gewichteten, durchschnittlichen Durchleitungsgebühren von 8,46 ct/kWh weichen erst ab der 3. Nachkommastelle von den vorläufigen Preisen ab. In 14.322 Postorten nahmen die Netzbetreiber keine Anpassungen vor. Das betrifft auch große Netze wie die der Avacon, Bayernwerk Netz, EAM Netz, EWE Netz, Netze BW, Pfalzwerke, SWM Infrastruktur, Westnetz und einige andere mehr.
In einzelnen Netzen wurden allerdings deutliche Anpassungen vorgenommen. In 184 Postorten sinken die endgültigen Entgelte. Die stärksten Korrekturen finden sich in den Netzen des bayerischen EVU Langenpreising (-17,8 % auf 4,01 ct/kWh) und der AVG Aschaffenburg (-7,2 % auf 5,40 ct/kWh). In 79 Postorten verteuern sich die Entgelte im Vergleich zu den vorläufigen Preisblättern. Im Netz der Stadtwerke Sigmaringen (Baden-Württemberg) gibt es die größte Anpassung (+11,1 % auf 8,62 ct/kWh), gefolgt von der bayerischen Elektrizitätsgenossenschaft Engelsberg (+9,4 % auf 11,08 ct/kWh).
Nicht zuletzt aufgrund der steigenden Entgelte in den vorgelagerten Übertragungsnetzen (vgl. Newsletter NNS Nr. 113) zeichneten sich steigende Entgelte auf der Verteilebene an. Dieser Trend hat sich in den endgültigen Preisblättern nun verfestigt. Im Vergleich zu den Kosten des Jahres 2021 steigen die durchschnittlichen, gewichteten Kosten um +3,8 Prozent. In 64 Postorten bleiben die Entgelte unverändert, in 1.012 sinken sie sogar, im Schnitt um ‑2,1 Prozent. Netzkunden in 9 Postorten profitieren von Senkungen von ‑12 Prozent und mehr.
Die größte Änderung lässt sich im brandenburgischen Panketal beobachten (-31,9 % auf 6,59 ct/kWh), wird hier allerdings verursacht durch die Rekommunalisierung des Netzes. Der Betrieb wechselte von der E.DIS Netz zur Netzgesellschaft Panketal. Ähnlich stellt sich die Situation in Ammersbek (Schleswig-Holstein) dar. Durch den Netzbetreiberwechsel von der Schleswig-Holstein Netz zur NordNetz sinken die Entgelte im Postort um ‑23,6 Prozent auf 8,76 ct/kWh. In Postorten ohne geänderte Betreiber sinken die Entgelte besonders stark beim bereits erwähnten EVU Langenpreising sowie im niedersächsischen Stolzenau, wo die Preise im Netz der GELSENWASSER Energienetze um ‑16,1 Prozent auf 8,11 ct/kWh reduziert wurden.
Prozentuale Veränderung der endgültigen Netzentgelte Strom 2022 gegenüber 2021
Abnahmefall: Familien-Haushalt, 3.500 kWh/Jahr, SLP, Niederspannung
Demgegenüber stehen steigende Entgelte in 13.502 Postorten, in 235 davon um +10 Prozent oder mehr. Durchschnittlich wurden die Preise dort um +4,2 Prozent angehoben. Am stärksten betroffen sind Netzkunden der Stadtwerke Riesa, in deren Netz die Durchleitungsgebühren um +43,8 Prozent auf 9,33 ct/kWh steigen. Auch in den Netzen der Stadtwerke Mössingen (+38,5 % auf 7,84 ct/kWh) in Baden-Württemberg und der Stadtwerke Springe (+31,8 % auf 9,19 ct/kWh) in Niedersachsen wurden die Entgelte deutlich angehoben. In Mössingen liegen sie damit aber noch unter dem bundesweiten Durchschnitt.
Die niedrigsten Preise für die Netznutzung finden sich 2022 in bayerischen Gemeinden. Neben Langenpreising liegen die Entgelte auch in Germering (Energienetze Bayern) weit unter dem Durchschnitt (4,94 ct/kWh), ebenso in Olching (Stadtwerke Olching Stromnetz) mit 5,05 Cent je durchgeleiteter Kilowattstunde.
Preisniveau der endgültigen Netzentgelte Strom 2022 in ct/kWh
Abnahmefall: Familien-Haushalt, 3.500 kWh/Jahr, SLP, Niederspannung
Am höchsten sind die Netzentgelte derzeit in Lambrecht und Frankeneck (Rheinland-Pfalz). Im dortigen Netz der Stadtwerke Lambrecht (Pfalz) werden im laufenden Jahr 13,48 ct/kWh erhoben. Ähnlich hoch sind die Durchleitungspreise im bayerischen Bad Hindelang (Elektrizitätswerk Hindelang) mit 12,70 ct/kWh, Lohberg (EVU Späth, 12,43 ct/kWh) und Rettenberg (Elektrizitätsgenossenschaft Rettenberg, 12,38 ct/kWh).
Stromvertriebe stehen nun vor der schwierigen Aufgabe, die überwiegend steigenden Netzentgelte zusätzlich zu den explodierenden Beschaffungspreisen in ihre Tarife einzukalkulieren. Das Absinken der gesetzlichen Umlagen auf ein Zehnjahrestief (vgl. Aktuelle Meldung Oktober 2021) können das nicht ansatzweise kompensieren.
Ähnliche Situation in den Gasnetzen
Auch in die endgültigen Gasnetzentgelte ist nur noch wenig Bewegung gekommen. Die Auswertung der Netznutzungspreise von 645 der 692 Verteilnetzbetreiber zeigt im gewichteten Schnitt ebenfalls nur eine marginale Änderung im Nachkommabereich. Die Netze dieser Unternehmen beliefern 10.323 Postorte, was einer Gebietsabdeckung von 95 Prozent der gasversorgten Fläche entspricht.
Am Beispiel des Musterhaushalts mit einem Jahresverbrauch von 18.000 kWh werden 2022 Netzentgelte in Höhe von 1,70 Cent je transportierter Kilowattstunde fällig. In 9.842 Postleitzahl-Ort-Kombinationen nahmen die Netzbetreiber keine Anpassung gegenüber den vorläufigen Entgelten vor, darunter beispielsweise Avacon, Bayernwerk Netz, EAM Netz, EWE Netz, Netze BW und Westnetz. In 186 Postorten wurden die Preise nach unten korrigiert, im Schnitt um ‑3,1 Prozent. In 290 Postorten gab es leichte Korrekturen nach oben, durchschnittlich um +0,4 Prozent.
Die EW Schönau Netze (Baden-Württemberg) passten die Entgelte in ihrem Netz noch einmal um +10 Prozent auf 1,96 ct/kWh an. Weitere Erhöhungen lassen sich im Netz der niedersächsischen Stadtwerke Buchholz in der Nordheide (+5,9 % auf 1,24 ct/kWh) und der Stadtwerke Kaltenkirchen (Schleswig-Holstein, +3,4 % auf 1,35 ct/kWh) beobachten, die damit aber beide noch deutlich unter dem Durchschnitt liegen. Niedriger werden die Netzentgelte dagegen im Netz der Stadtwerke Landshut in Bayern, dort sinken sie um ‑13,9 Prozent auf günstige 1,21 ct/kWh. Auch die Stadtwerke Traunstein (Bayern) korrigierten die Entgelte um ‑9,5 % nach unten, liegen aber mit 2,10 ct/kWh weiterhin über dem Schnitt.
Auch im Gas zeichneten sich mit den vorläufigen Entgelten bereits steigende Kosten ab (vgl. Newsletter NNG Nr. 71), obwohl die Exit-Preise und der Biogaswälzungsbetrag 2022 niedriger ausfallen. Die endgültigen Preisblätter haben diesen Trend nicht umgekehrt. Im Vergleich zum Vorjahr steigen die Kosten für die Netznutzung im gewichteten Durchschnitt um +1,9 Prozent auf 1,70 ct/kWh. In 57 Postleitzahl-Ort-Kombinationen bleiben die Entgelte unverändert. In 3.185 Postorten sinken sie um durchschnittlich ‑2,6 Prozent, in 57 davon um ‑10 Prozent oder mehr. Dem stehen allerdings insgesamt 7.081 Postorte mit steigenden Entgelten gegenüber, im Schnitt erhöhen sich diese um +4,1 Prozent, in 205 Fällen sogar um +10 Prozent und mehr.
Prozentuale Veränderung der endgültigen Netzentgelte Gas 2022 gegenüber 2021
Abnahmefall: Familien-Haushalt, 18.000 kWh/a, 11 kW Leistung, SLP, Niederdruck
In Börnsen (Schleswig-Holstein, GWB-Netz) verteuern sich die Durchleitungsgebühren mit +28,2 Prozent am deutlichsten, bleiben mit gerundeten 1,70 ct/kWh aber noch genau im deutschlandweiten Schnitt. Im Netz der Stadtwerke Willich (NRW) bleiben die Kosten trotz Erhöhung niedrig (+19,4 % auf 1,53 ct/kWh). Die Stadtwerke Sindelfingen (Baden-Württemberg) haben die Entgelte dagegen um +26,6 Prozent auf überdurchschnittliche 2,24 ct/kWh angehoben.
Auf der anderen Seite finden sich auch teils deutliche Reduzierungen der Transportkosten. Im hessischen Gasnetz Witzenhausen wurden die Preise um ‑32,2 % auf 0,80 ct/kWh gesenkt. Die Entgelte der bereits genannten Stadtwerke Landshut fallen gegenüber 2021 um ‑23,6 Prozent. Und auch die nachträglich korrigierten Preise der EW Schönau Netze liegen noch ‑22,7 Prozent unter dem Vorjahresniveau. Von Konzessionswechseln profitieren zudem Gaskunden im niedersächsischen Wendeburg. Hier ging der Netzbetrieb von der Avacon Netz auf die Gemeindewerke Peiner Land über (-24,5 % auf 1,32 ct/kWh). In Gau-Algesheim (Rheinland-Pfalz) übernahm die Rheinhessische Energie- und Wasserversorgung den Netzbetrieb von Westnetz, was um ‑24,1 Prozent niedrigere Entgelte (1,59 ct/kWh) zur Folge hat.
Preisniveau der endgültigen Netzentgelte Gas 2022 in ct/kWh
Abnahmefall: Familien-Haushalt, 18.000 kWh/a, 11 kW Leistung, SLP, Niederdruck
Die günstigsten Transportkosten finden sich derzeit im Gasnetz Witzenhausen sowie im Verteilnetz der Stadtwerke Lingen (Niedersachsen, 0,87 ct/kWh). Ähnliche Preise berechnen die benachbarten Stadtwerke Neuenhaus mit 0,89 ct/kWh. Deutlich über dem Durchschnitt liegen dagegen die Entgelte der Stadtwerke Havelberg (Sachsen-Anhalt) mit 2,82 ct/kWh sowie der Stadtwerke Bad Wildbad (Baden-Württemberg, 2,94 ct/kWh). Die mit Abstand höchsten Gebühren für die Gasdurchleitung in Höhe von 3,43 ct/kWh werden aktuell im Verteilnetz der Stadtwerke Altensteig erhoben.
Wie auch Stromversorger müssen Gasanbieter diese – überwiegend moderaten – Steigerungen der Netznutzungskosten in ihre Produkte einpreisen, während die Beschaffungskosten auch hier in ungeahnte Höhen steigen. Ohnehin gestalten sich die Preise am Markt derzeit äußerst volatil, was sich vor dem Ende der Heizperiode vermutlich auch nicht mehr ändern wird.
Methodik: Alle Preise verstehen sich netto. Der durchschnittliche spezifische Arbeitspreis der Netzentgelte wurde nach Netzgröße (Anzahl der angeschlossenen Postleitzahl-Ort-Kombinationen) gewichtet. In den Berechnungen wurden nur Netzbetreiber berücksichtigt, die bereits ein endgültiges Entgelt für 2022 bekanntgegeben haben. Der spezifische Kilowattstundenpreis setzt sich zusammen aus den Netzkosten (Arbeitspreis + auf die Jahresarbeit umgelegter Grundpreis) und den Kosten für das Messsystem (Standardmesskonfiguration).