Aktuelles | 11. April 2018

Quo vadis, Grundversorgung?

Anfang März überraschten zwei der größten Unternehmen am deutschen Energiemarkt die Branche mit dem geplanten umfassenden Austausch von Geschäftsfeldern. E.ON und RWE möchten sich zukünftig Netzbetrieb und Vertrieb auf der einen und die Erzeugung auf der anderen Seite aufteilen. Dazu soll auch die erst vor zwei Jahren aufgestellte RWE-Tochter Innogy vollständig im Konzern des bisherigen Rivalen E.ON aufgehen.

Der Pau­ken­schlag blieb im Markt nicht unge­hört, im Blät­ter­rau­schen der Fach­pres­se kamen Kon­kur­ren­ten zu Wort, die Duo­po­le in Ver­trieb und Netz­be­trieb befürch­te­ten, Stadt­wer­ke, die Aus­stiegs­klau­seln prüf­ten, Anteils­eig­ner, die um Arbeits­plät­ze bang­ten, und Wis­sen­schaft­ler wie­sen auf eine Kon­zen­tra­ti­on der Netz­kon­zes­sio­nen hin.

Auch Ver­brau­cher­schüt­zer mel­de­ten sich zu Wort, moch­ten aber die Sor­ge vor mög­li­chen Nach­tei­len für Strom­kun­den nicht tei­len. Die Wett­be­werbs­si­tua­ti­on ver­hin­de­re eine zu gro­ße Markt­macht der neu auf­ge­stell­ten E.ON. Der Blick auf die bun­des­wei­te Grund­ver­sor­gung zeigt aller­dings, dass die­se Sor­gen nicht ganz unbe­grün­det sind.

Denn E.ON und Inno­gy belie­fern ange­stamm­te Grund­ver­sor­gungs­ge­bie­te nicht nur unmit­tel­bar, viel­mehr sind sie auch Mehr­heits­eig­ner wei­te­rer Strom­ver­sor­ger. E.ON hält nach der Ver­schmel­zung mit meh­re­ren Regio­nal­ge­sell­schaf­ten Ende 2013 der­zeit mehr als 50 Pro­zent der Geschäfts­an­tei­le an 4 wei­te­ren Unter­neh­men wie der SVO Ver­trieb und der WEVG Salz­git­ter, belie­fert aber haupt­säch­lich direkt als E.ON Ener­gie Deutsch­land. Bei Inno­gy zäh­len dage­gen 16 wei­te­re Lie­fe­ran­ten über eine Mehr­heits­be­tei­li­gung zur Unter­neh­mens­grup­pe, dar­un­ter envia Mit­tel­deut­sche Ener­gie, EWR, Süwag Ver­trieb, rhen­ag, epri­mo und die Lech­wer­ke. Sobald all die­se Gesell­schaf­ten in E.ON ein­ge­glie­dert sind, wer­den zukünf­tig 8.827 von 16.961 Post­leit­zahl-Ort-Netz-Kom­bi­na­tio­nen durch das Esse­ner Unter­neh­men grund­ver­sorgt – das ent­spricht einem Anteil von 52 Prozent.

Prei­se der Grund­ver­sor­gung in E.ON- und Inno­gy-Gebie­ten
Abnah­me­fall Haus­halt, SLP, Nie­der­span­nung, 2.200 kWh/​Jahr

Mög­li­cher­wei­se könn­ten sich die­se Ände­run­gen für betrof­fe­ne Strom­ab­neh­mer auch preis­lich bemerk­bar machen. Berech­net am Abnah­me­fall eines Haus­halts mit einem Jah­res­ver­brauch von 2.200 kWh – laut Moni­to­ring­be­richt 2017 der Bun­des­netz­agen­tur typisch für die Grund­ver­sor­gung – berech­net E.ON im Schnitt aktu­ell höhe­re Prei­se für die Strom­lie­fe­rung als Inno­gy. E.ON-Kunden zah­len in 5.177 Postor­ten im Schnitt 29,94 ct/​kWh, Grund­ver­sorg­te in Lie­fer­ge­bie­ten von Inno­gy und deren Betei­li­gun­gen nur 28,07 ct/​kWh (3.650 Postor­te). Ähn­li­che Prei­se set­zen mit 28,08 ct/​kWh Unter­neh­men an, die unab­hän­gig von bei­den Kon­zer­nen agie­ren. Natür­lich sind höhe­re Prei­se auch durch unter­schied­li­che Netz­ent­gel­te bei­spiels­wei­se im Nord­os­ten der Bun­des­re­pu­blik erklär­bar. Doch die­se sind nicht der ein­zi­ge Grund.

Denn wer die Roh­mar­ge genau­er betrach­tet, also was vom Grund­ver­sor­gungs­preis übrig­bleibt, wenn alle gesetz­li­chen Umla­gen und die lokal gül­ti­gen Netz­ent­gel­te und Kon­zes­si­ons­ab­ga­ben abge­zo­gen sind, sieht im Durch­schnitt bei E.ON mit durch­schnitt­lich 9,18 ct/​kWh einen deut­lich höhe­ren Deckungs­bei­trag als bei Inno­gy-Unter­neh­men mit 8,76 ct/​kWh. In der übri­gen Bun­des­re­pu­blik erwirt­schaf­ten Grund­ver­sor­ger dage­gen im Mit­tel nur 8,54 ct/​kWh Rohmarge.

Roh­mar­ge in der Grund­ver­sor­gung in E.ON- und Inno­gy-Gebie­ten
Abnah­me­fall Haus­halt, SLP, Nie­der­span­nung, 2.200 kWh/​Jahr

In 3.781 Postor­ten zah­len Grund­ver­sor­gungs­kun­den inzwi­schen mehr als 30 Cent net­to je ver­brauch­ter Kilo­watt­stun­de. Die sach­sen-anhal­ti­ni­schen Stadt­wer­ke Zeitz berech­nen mit 35,46 ct/​kWh bun­des­weit den höchs­ten Preis, E.ON hat den teu­ers­ten Tarif mit 30,72 ct/​kWh in Schles­wig-Hol­stein. Mit dem Tarif EWR Basis­strom“ (30,01 ct/​kWh) fin­det sich der höchs­te Preis einer Inno­gy-Betei­li­gung in Rhein­land-Pfalz und Hes­sen. Die güns­tigs­te Grund­ver­sor­gung fin­det sich dage­gen in Erkrath (NRW), wo die Stadt­wer­ke für Guter­Strom Basis“ 23,65 ct/​kWh in Rech­nung stel­len. In 199 Postor­ten liegt der Preis unter 25 ct/​kWh, dar­un­ter aller­dings kei­ne E.ON- oder Inno­gy-Ver­sor­ger. Der güns­tigs­te Tarif eines E.ON-nahen Unter­neh­mens fin­det sich mit der SVO Ver­trieb im nie­der­säch­si­schen Netz­ge­biet der Cel­le-Uel­zen-Netz (26,37 ct/​kWh); mit SWD Klas­sik­Strom“ der dor­ti­gen Stadt­wer­ke (26,98 ct/​kWh) wird der güns­tigs­te Tarif auf Sei­ten Inno­gys in Düren (NRW, Netz der Lei­tungs­part­ner) angeboten.

Die höchs­te Mar­ge erzie­len die Stadt­wer­ke Zeitz (14,8815,15 ct/​kWh), gefolgt von E.ON im nie­der­säch­si­schen Lehr­te mit 14,27 ct/​kWh. In der Inno­gy-Unter­neh­mens­grup­pe erzielt der Tarif EWR Basis­strom“ mit 11,77 ct/​kWh die höchs­te Mar­ge im rhein­land-pfäl­zi­schen Für­feld im Netz der Stadt­wer­ke Bad Kreuz­nach. Am unte­ren Ende der Erlös­span­ne fin­den sich die Stadt­wer­ke Land­au a. d. Isar (4,29 ct/​kWh) und Bad Kis­sin­gen (4,67 ct/​kWh) wie­der, E.ON- (min. 5,50 ct/​kWh) und Inno­gy-Unter­neh­men (min. 6,81 ct/​kWh) lie­gen noch deut­lich darüber.

Abzu­war­ten bleibt, in wel­che Rich­tung sich die Prei­se nach einer Zer­schla­gung der Inno­gy SE und einer Kon­zen­tra­ti­on der Strom­grund­ver­sor­gung nahe­zu der hal­ben Bun­des­re­pu­blik im E.ON-Konzern ten­den­zi­ell ent­wi­ckeln wer­den. Allem Wett­be­werb zum Trotz wird dies beson­ders für Grund­ver­sor­gungs­kun­den von Bedeu­tung sein, die man­gels Boni­tät oder aus ähn­li­chen Grün­den kei­ne Mög­lich­keit haben, in einen Son­der­ta­rif zu wechseln.

Metho­dik: Stich­tag ist der 4. April 2018. Alle Preis­an­ga­ben ver­ste­hen sich net­to. Der durch­schnitt­li­che spe­zi­fi­sche Arbeits­preis der Grund­ver­sor­gung wur­de nach Zahl der ver­sorg­ten Post­leit­zahl-Ort-Kom­bi­na­tio­nen (syn­onym Postor­te“) gewich­tet. Der Kilo­watt­stun­den­preis setzt sich zusam­men aus dem Arbeits­preis und dem auf die Jah­res­ar­beit umge­leg­ten Grund­preis. Vor­aus­ge­setzt wur­de ein Ein­ta­rif­zäh­ler. Betrach­tet wur­den neben E.ON und Inno­gy Unter­neh­men, an denen eine von bei­den Gesell­schaf­ten laut Geschäfts­be­richt einen Anteil von mehr als 50 Pro­zent hält.

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