Der Paukenschlag blieb im Markt nicht ungehört, im Blätterrauschen der Fachpresse kamen Konkurrenten zu Wort, die Duopole in Vertrieb und Netzbetrieb befürchteten, Stadtwerke, die Ausstiegsklauseln prüften, Anteilseigner, die um Arbeitsplätze bangten, und Wissenschaftler wiesen auf eine Konzentration der Netzkonzessionen hin.
Auch Verbraucherschützer meldeten sich zu Wort, mochten aber die Sorge vor möglichen Nachteilen für Stromkunden nicht teilen. Die Wettbewerbssituation verhindere eine zu große Marktmacht der neu aufgestellten E.ON. Der Blick auf die bundesweite Grundversorgung zeigt allerdings, dass diese Sorgen nicht ganz unbegründet sind.
Denn E.ON und Innogy beliefern angestammte Grundversorgungsgebiete nicht nur unmittelbar, vielmehr sind sie auch Mehrheitseigner weiterer Stromversorger. E.ON hält nach der Verschmelzung mit mehreren Regionalgesellschaften Ende 2013 derzeit mehr als 50 Prozent der Geschäftsanteile an 4 weiteren Unternehmen wie der SVO Vertrieb und der WEVG Salzgitter, beliefert aber hauptsächlich direkt als E.ON Energie Deutschland. Bei Innogy zählen dagegen 16 weitere Lieferanten über eine Mehrheitsbeteiligung zur Unternehmensgruppe, darunter envia Mitteldeutsche Energie, EWR, Süwag Vertrieb, rhenag, eprimo und die Lechwerke. Sobald all diese Gesellschaften in E.ON eingegliedert sind, werden zukünftig 8.827 von 16.961 Postleitzahl-Ort-Netz-Kombinationen durch das Essener Unternehmen grundversorgt – das entspricht einem Anteil von 52 Prozent.
Preise der Grundversorgung in E.ON- und Innogy-Gebieten
Abnahmefall Haushalt, SLP, Niederspannung, 2.200 kWh/Jahr
Möglicherweise könnten sich diese Änderungen für betroffene Stromabnehmer auch preislich bemerkbar machen. Berechnet am Abnahmefall eines Haushalts mit einem Jahresverbrauch von 2.200 kWh – laut Monitoringbericht 2017 der Bundesnetzagentur typisch für die Grundversorgung – berechnet E.ON im Schnitt aktuell höhere Preise für die Stromlieferung als Innogy. E.ON-Kunden zahlen in 5.177 Postorten im Schnitt 29,94 ct/kWh, Grundversorgte in Liefergebieten von Innogy und deren Beteiligungen nur 28,07 ct/kWh (3.650 Postorte). Ähnliche Preise setzen mit 28,08 ct/kWh Unternehmen an, die unabhängig von beiden Konzernen agieren. Natürlich sind höhere Preise auch durch unterschiedliche Netzentgelte beispielsweise im Nordosten der Bundesrepublik erklärbar. Doch diese sind nicht der einzige Grund.
Denn wer die Rohmarge genauer betrachtet, also was vom Grundversorgungspreis übrigbleibt, wenn alle gesetzlichen Umlagen und die lokal gültigen Netzentgelte und Konzessionsabgaben abgezogen sind, sieht im Durchschnitt bei E.ON mit durchschnittlich 9,18 ct/kWh einen deutlich höheren Deckungsbeitrag als bei Innogy-Unternehmen mit 8,76 ct/kWh. In der übrigen Bundesrepublik erwirtschaften Grundversorger dagegen im Mittel nur 8,54 ct/kWh Rohmarge.
Rohmarge in der Grundversorgung in E.ON- und Innogy-Gebieten
Abnahmefall Haushalt, SLP, Niederspannung, 2.200 kWh/Jahr
In 3.781 Postorten zahlen Grundversorgungskunden inzwischen mehr als 30 Cent netto je verbrauchter Kilowattstunde. Die sachsen-anhaltinischen Stadtwerke Zeitz berechnen mit 35,46 ct/kWh bundesweit den höchsten Preis, E.ON hat den teuersten Tarif mit 30,72 ct/kWh in Schleswig-Holstein. Mit dem Tarif „EWR Basisstrom“ (30,01 ct/kWh) findet sich der höchste Preis einer Innogy-Beteiligung in Rheinland-Pfalz und Hessen. Die günstigste Grundversorgung findet sich dagegen in Erkrath (NRW), wo die Stadtwerke für „GuterStrom Basis“ 23,65 ct/kWh in Rechnung stellen. In 199 Postorten liegt der Preis unter 25 ct/kWh, darunter allerdings keine E.ON- oder Innogy-Versorger. Der günstigste Tarif eines E.ON-nahen Unternehmens findet sich mit der SVO Vertrieb im niedersächsischen Netzgebiet der Celle-Uelzen-Netz (26,37 ct/kWh); mit „SWD KlassikStrom“ der dortigen Stadtwerke (26,98 ct/kWh) wird der günstigste Tarif auf Seiten Innogys in Düren (NRW, Netz der Leitungspartner) angeboten.
Die höchste Marge erzielen die Stadtwerke Zeitz (14,88−15,15 ct/kWh), gefolgt von E.ON im niedersächsischen Lehrte mit 14,27 ct/kWh. In der Innogy-Unternehmensgruppe erzielt der Tarif „EWR Basisstrom“ mit 11,77 ct/kWh die höchste Marge im rheinland-pfälzischen Fürfeld im Netz der Stadtwerke Bad Kreuznach. Am unteren Ende der Erlösspanne finden sich die Stadtwerke Landau a. d. Isar (4,29 ct/kWh) und Bad Kissingen (4,67 ct/kWh) wieder, E.ON- (min. 5,50 ct/kWh) und Innogy-Unternehmen (min. 6,81 ct/kWh) liegen noch deutlich darüber.
Abzuwarten bleibt, in welche Richtung sich die Preise nach einer Zerschlagung der Innogy SE und einer Konzentration der Stromgrundversorgung nahezu der halben Bundesrepublik im E.ON-Konzern tendenziell entwickeln werden. Allem Wettbewerb zum Trotz wird dies besonders für Grundversorgungskunden von Bedeutung sein, die mangels Bonität oder aus ähnlichen Gründen keine Möglichkeit haben, in einen Sondertarif zu wechseln.
Methodik: Stichtag ist der 4. April 2018. Alle Preisangaben verstehen sich netto. Der durchschnittliche spezifische Arbeitspreis der Grundversorgung wurde nach Zahl der versorgten Postleitzahl-Ort-Kombinationen (synonym „Postorte“) gewichtet. Der Kilowattstundenpreis setzt sich zusammen aus dem Arbeitspreis und dem auf die Jahresarbeit umgelegten Grundpreis. Vorausgesetzt wurde ein Eintarifzähler. Betrachtet wurden neben E.ON und Innogy Unternehmen, an denen eine von beiden Gesellschaften laut Geschäftsbericht einen Anteil von mehr als 50 Prozent hält.