Der aktuelle Trend bei den bereits als vorläufig veröffentlichten Entgelten für das Jahr 2021 scheint dies zu bestätigen, allerdings fallen die Teuerungen noch moderat aus. Betrachtet an sieben repräsentativen Abnahmefällen steigen die Belastungen für die Musterkunden im Schnitt über die Netzgebiete nach derzeitigem Stand nicht stärker als um +1,1 Prozent. Zwar sind erst Entgelte für 249 von 880 Verteilnetzbetreibern veröffentlicht, diese versorgen jedoch 12.103 Postleitzahl-Ort-Kombinationen bzw. 84,6 Prozent des Bundesgebiets.
Da viele neue Preisblätter im SLP-Segment vor allem höhere Grundpreise ausweisen, sind geringere Verbräuche stärker von steigenden Kosten betroffen. Ein Single-Haushalt mit einem Jahresverbrauch von 1.500 kWh wird um +1,1 Prozent höher belastet und muss im Schnitt Netzentgelte von 166,67 Euro entrichten. Für einen Familienhaushalt (4.000 kWh/Jahr) halbiert sich die prozentuale Mehrbelastung bereits (+0,5 % auf 321,17 Euro), während ein Gewerbekunde (SLP, 40.000 kWh/Jahr) nahezu unveränderte Gebühren zahlt (-0,03 % auf 2.545,97 Euro). Die Durchschnittswerte sind dabei nach der jeweiligen Netzgröße, also den angeschlossenen Postorten, gewichtet. Ein Schnitt nur über die Preisblätter (ca. +4,5 %) wäre zwar mathematisch nicht falsch, besitzt aber wenig Aussagekraft über die realen Verhältnisse, da Verteilnetzbetreiber mit kleinem Netzgebiet überproportional stark berücksichtigt würden.
Leistungsgemessene Kunden in Gewerbe und Industrie müssen dagegen bei höheren Abnahmen leicht steigende Entgelte einkalkulieren, abhängig von Spannungsebene, installierter Leistung und Benutzungsstunden:
- Gewerbe (RLM, Niederspannung, 35 kW, 100.000 kWh/a, >2.500 h) +0,5 % auf 6.365,17 Euro
- Gewerbe (RLM, Niederspannung, 50 kW, 100.000 kWh/a, <2.500 h) +0,5 % auf 7.121,12 Euro
- Gewerbe (RLM, Mittelspannung, 150 kW, 400.000 kWh/a, >2.500 h) +0,7 % auf 20.912,58 Euro
- Gewerbe (RLM, Mittelspannung, 200 kW, 400.000 kWh/a, <2.500 h) +0,9 % auf 22.826,88 Euro
Mit der Veröffentlichung weiterer Preisblätter werden sich diese Durchschnittswerte voraussichtlich noch leicht verändern.
Wie wichtig der Blick in die tatsächlich betroffene Fläche ist, zeigen große Netzgebiete, in denen die Entgelte 2021 sogar deutlich geringer ausfallen. Grund dafür sind hauptsächlich die stark sinkenden vorgelagerten Gebühren in der TenneT-Regelzone, von denen im kommenden Jahr beispielsweise Anschlusskunden der Schleswig-Holstein Netz (-1,5 % auf relativ hohe 11,46 ct/kWh), EAM Netz (-7 % auf 7,42 ct/kWh) und Bayernwerk Netz (-8,4 % auf 7,44 ct/kWh) profitieren werden. Aber auch im Verteilnetz der Avacon (Regelzone 50Hertz) sinken die Entgelte deutlich (-3,7 % auf 8,28 ct/kWh).
Betrachtet am Beispiel eines Familienhaushalts mit einem Jahresverbrauch von 3.500 kWh steigen die Netzentgelte im gewichteten Durchschnitt somit nur um 0,7 Prozent auf dann 8,30 ct/kWh bzw. in Summe 2,10 Euro. Gleichzeitig wurde bekannt, dass die Offshore-Netzumlage gemäß § 17f Abs. 5 EnWG leicht von 0,416 auf 0,395 ct/kWh sinkt. Die Reduzierung der EEG-Umlage von 6,756 auf 6,50 ct/kWh im Rahmen des coronabedingten Konjunkturpakets der Bundesregierung war bereits vorab festgelegt. Der Musterhaushalt wird dadurch insgesamt um 9,70 Euro im Jahr entlastet. Nach derzeitigem Stand werden die leicht gestiegenen Entgelte durch die Umlagen sogar überkompensiert, zumindest im gewichteten Durchschnitt.
Prozentuale Veränderung der vorläufigen Stromnetzentgelte 2021 gegenüber 2020
Abnahmefall: Familien-Haushalt, 3.500 kWh/Jahr, SLP, Niederspannung
Dabei sinken die Gebühren im Netzgebiet der bayerischen EVU Gemeinde Hemhofen Stromversorgung prozentual am stärksten (-31,4 % auf nur noch 6,01 ct/kWh). Ebenfalls günstiger werden die Preise für Anschlusskunden der Stadtwerke Klingenberg (-17,9 % auf 7,71 ct/kWh) und der Gemeindewerke Markt Lichtenau (-12,9 % auf 6,81 ct/kWh), beide ebenfalls in Bayern. In den beiden baden-württembergischen Gemeinden Gailingen und Krauchenwies profitieren Netzkunden zudem von Konzessionswechseln. In Gailingen wechselt der Verteilnetzbetrieb von der EKS AG zur Thüga Energienetze, sodass zukünftig nur noch 7,96 ct/kWh fällig werden (-19,1 %). In Krauchenwies übernimmt Netze BW die Konzession von den dortigen Gemeindewerken. Ab dem kommenden Jahr zahlen Netzkunden dort ‑18,9 % weniger (8,80 ct/kWh). Insgesamt sinken die Gebühren in 4.288 Postorten im Schnitt um ‑4,5 %, in 10 Postorten bleiben sie vorerst unverändert.
Auf der anderen Seite erhöhen auch viele Verteilnetzbetreiber 2021 ihre Preise. In 7.805 Postorten steigen die Entgelte um durchschnittlich 3,9 %. Besonders stark betroffen sind Stromkunden im Netz der Stadtwerke Lambrecht (Rheinland-Pfalz). Für den Musterhaushalt steigen die Kosten um +33,6 Prozent auf 12,15 ct/kWh, was deutlich über dem Schnitt der vorläufigen Entgelte liegt. Auch die Preise der hessischen Stadtwerke Mülheim am Main ziehen um +16,2 % stark an, liegen mit 8,83 ct/kWh noch auf moderatem Preisniveau. Auch bei den Gemeindewerken Weidenthal (Rheinland-Pfalz) zeigt sich eine deutliche Steigerung um +15,5 Prozent auf 10,19 ct/kWh. Ähnlich hoch ist die prozentuale Verteuerung der nahegelegenen Gemeindewerke Dudenhofen mit +14,5 Prozent. Die absoluten Beträge fallen mit 6,31 ct/kWh trotzdem sehr niedrig aus.
Preisniveau der vorläufigen Netzentgelte Strom 2021 in ct/kWh
Abnahmefall: Familien-Haushalt, 3.500 kWh/Jahr, SLP, Niederspannung
Die günstigsten Entgelte erheben 2021 Energienetzte Bayern im Netzbereich Germering mit 4,91 ct/kWh (-8,6 %). Ein ähnliches Preisniveau findet sich mit 5,26 ct/kWh im Netzgebiet der EVI Energieversorgung Hildesheim in Niedersachsen (-1 %) und mit 5,32 ct/kWh im Gebiet der Netzwerke Merzig im Saarland (+2,1 %). Die mehr als doppelt so hohen Entgelte der bereits erwähnten Stadtwerke Lambrecht (Pfalz) machen den höchsten Anteil auf der Stromrechnung des Musterhaushalts aus. Auch die eingangs erwähnte Schleswig-Holstein Netz zählt trotz leichter Senkung noch immer zu den teuersten Netzbetreibern. Ursächlich dürfte hier die Integration erneuerbarer Energien sein. Aber auch die rheinland-pfälzischen Stadtwerke Kusel stechen mit einer Verteuerung um +13,9 Prozent auf dann 10,98 ct/kWh hervor. Zwischen den günstigsten und teuersten Entgelten lässt sich aktuell eine Spreizung von 147,5 Prozent errechnen.
Ersten alarmistischen Pressemeldungen zum Trotz ergibt sich aus den aktuellen Zahlen kein grundsätzlicher dringender Handlungsbedarf für Stromvertriebe. In Verteilnetzen mit starken Änderungen sollte die eigene Kalkulation natürlich geprüft werden, im landesweiten Durchschnitt fallen die Anpassungen allerdings moderat aus. Hier kann es durchaus ratsam sein, erst einmal die Veröffentlichung der endgültigen Netzentgelte zum Jahreswechsel abzuwarten und das eigene Margenpotenzial noch einmal zu prüfen.
Methodik: Alle Preise verstehen sich netto. Der durchschnittliche spezifische Arbeitspreis der Netzentgelte wurde nach Netzgröße (Anzahl der angeschlossenen Postorte) gewichtet. In den Berechnungen wurden nur Netzbetreiber berücksichtigt, die bereits ein vorläufiges Entgelt für 2021 bekanntgegeben haben. Der spezifische Kilowattstundenpreis setzt sich zusammen aus den Netzkosten (Arbeitspreis + auf die Jahresarbeit umgelegter Grundpreis) und den Kosten für das Messsystem (Eintarif Drehstromzähler).