Noch stärker fällt die Erhöhung für einen SLP-Gewerbebetrieb in der Niederspannung aus (40.000 kWh/a), hier werden mit 3.517,39 Euro +9,1 Prozent mehr fällig. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den leistungsgemessenen Gewerbekunden. Ein Betrieb mit 400.000 kWh Verbrauch in der Mittelspannung, 200 kW Anschlussleistung und weniger als 2.500 Benutzungsstunden muss mit 30.549,33 Euro (+8,4 %) kalkulieren. In der Niederspannung werden bei 100.000 kWh Verbrauch (35 kW, über 2.500 Benutzungsstunden) Netzkosten in Höhe von 8.640,01 Euro (+9,1 %) fällig.
Die Entgelte der vorgelagerten Übertragungsnetzbetreiber sind dabei nicht allein für diesen fast flächendeckenden Anstieg verantwortlich. Die durch das Netzentgeltmodernisierungsgesetz (NEMoG) seit 2023 harmonisierten Entgelte steigen im kommenden Jahr voraussichtlich nur um rund 2,2 Prozent auf 3,19 ct/kWh. Als Grund nannten die vier Regelzonenverantwortlichen in einer gemeinsamen Pressemitteilung das anhaltend hohe Preisniveau auf den Brennstoff- und Strommärkten, das sich insbesondere auf die Kosten für Redispatch, Netzreserve und die Vorhaltung von Regelleistung sowie für die Beschaffung von Verlustenergie auswirke. Problematisch ist dabei, dass hier bereits ein möglicher Zuschuss der Bundesregierung aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) in Höhe von 5,5 Mrd. Euro einkalkuliert wurde, für den bislang noch die gesetzliche Grundlage fehle. Sollte diese bis Anfang Dezember nicht geschaffen sein, werden sich die endgültigen ÜNB-Entgelte noch entsprechend erhöhen.
Auf Verteilnetzebene finden sich dagegen andere preistreibende Faktoren. Dr. Christoph Müller, Vorsitzender der Geschäftsführung der Netze BW, führt dies am Beispiel seines Unternehmens aus. Demnach spielt der Beginn der 4. Regulierungsperiode eine entscheidende Rolle, da sich nun das Basisjahr für die anzurechnenden Kosten von 2016 auf 2021 ändert. In dieser Zeit habe es deutliche Kostensteigerungen gegeben, beispielsweise durch die „explodierten“ Anschlussanfragen für Fotovoltaik-Aufdachanlagen. Zudem stieg der Benchmarkpreis für Verlustenergie deutlich. Als weiteren netzentgeltsteigernden Effekt macht Müller die sinkenden Netzentnahmen durch steigende dezentrale Erzeugung aus. Damit würden die Netzentgelte auf weniger Bezugsmengen verteilt. „Hier tun sich absehbar Gerechtigkeitsfragen auf“, konstatiert er.
Unter den steigenden Entgelten leidet nach aktuellem Stand der vorläufigen Verteilnetzentgelte auch ein Musterhaushalt mit einem Jahresverbrauch von 3.500 kWh. Nach Auswertung der Kostenstellungen für 12.564 von 14.655 deutschen Postleitzahl-Ort-Kombinationen erhöht sich der spezifische Arbeitspreis in diesen Preisblättern durchschnittlich um +8,6 Prozent auf 11,20 Cent. Die Jahreskosten steigen in diesen Postorten damit durchschnittlich von 361,07 auf 392,15 Euro. Dennoch lassen sich in 2.788 Postorten Preissenkungen feststellen, darunter immerhin 1.033 mit einer Reduzierung von mehr als ‑10 Prozent.
Im Netzgebiet der Stadtwerke Haldensleben (Sachsen-Anhalt) finden sich aktuell 5 Postorte mit unveränderten Entgelten (6,61 ct/kWh) für den Musterhaushalt. In den übrigen Postorten steigen die Arbeitspreise, in 6.517 um mehr als +10 Prozent. In 2.933 steigen die Kosten sogar um mehr als +20 Prozent.
Prozentuale Veränderung der vorläufigen Netzentgelte Strom 2024 gegenüber 2023
Abnahmefall: Familien-Haushalt, 3.500 kWh/Jahr, SLP, Niederspannung
Die stärkste Entlastung erwartet Haushaltskunden nach aktuellem Stand im Netzgebiet der Stadtwerke Malchow in Mecklenburg-Vorpommern. Der spezifische Arbeitspreis sinkt dort um ‑13,8 Prozent auf 11,65 ct/kWh. Auch die Stadtwerke Wernigerode (Sachsen-Anhalt) reduzieren die Entgelte um ‑10,8 Prozent auf 7,97 ct/kWh, womit diese zudem deutlich unter dem Durchschnittspreis liegen. Besonders viele Netzkunden profitieren außerdem von niedrigeren Entgelten der E.DIS Netz mit Sitz in Brandenburg. Im großen Netzgebiet, das insgesamt 1.000 Postleitzahl-Ort-Kombinationen abdeckt, sinkt der spezifische Arbeitspreis um ‑10,1 Prozent auf 12,95 ct/kWh.
Eine Änderung im E.ON-Konzern kommt dagegen Haushalten in 2 Postorten zugute, in denen der Netzbetrieb von der Schleswig-Holstein Netz auf die 100%ige Tochtergesellschaft NordNetz übergeht. Dadurch werden mit 10,45 ct/kWh im kommenden Jahr um ‑32,8 Prozent geringere Arbeitspreise erhoben. Ähnliches lässt sich in 18 Postorten in Brandenburg beobachten, in denen die Stadtwerke Neuruppin den Netzbetrieb von der E.DIS Netz übernehmen. Der Arbeitspreis sinkt so um ‑30,4 Prozent auf 10,03 ct/kWh. Auch in Sachsen-Anhalt zahlt der betrachtete Familienhaushalt durch den Betreiberwechsel von der Avacon Netz auf die Halberstadtwerke in 6 Postorten nur noch vergleichsweise günstige 8,37 ct/kWh (-19,8 %).
Deutlich höhere Entgelte müssen Stromvertriebe dagegen im Netzgebiet der brandenburgischen Netzgesellschaft Panketal nahe Berlin einkalkulieren. Hier steigt der Arbeitspreis 2024 um +44,2 Prozent auf 10,01 ct/kWh. Auch bei den sächsischen Stadtwerken Niesky steigen die Verteilnetzgebühren um +39,7 Prozent auf 12,84 ct/kWh. Ähnliches zeigt sich in Bayern, wo die Gemeindewerke Kahl Versorgungsgesellschaft den Arbeitspreis um +37 Prozent auf 11,52 ct/kWh anhebt.
Preisniveau der vorläufigen Netzentgelte Strom 2024
Abnahmefall: Familien-Haushalt, 3.500 kWh/Jahr, SLP, Niederspannung
Das günstigste Verteilnetzentgelt lässt sich nach aktuellem Stand im kommenden Jahr im Netzgebiet der oben erwähnten Stadtwerke Haldensleben finden, wo der spezifische Arbeitspreis unverändert 6,61 ct/kWh beträgt. Nur wenig teurer ist die Durchleitung im Anschlussbereich der niedersächsischen EVI Energieversorgung Hildesheim, wo trotz einer Erhöhung um +9,4 Prozent immer noch deutlich unterdurchschnittliche 6,80 ct/kWh fällig werden. Etwas höher fallen die Preise der hessischen Energieversorgung Rüsselsheim mit 7,39 ct/kWh (-3 %) aus, bleiben aber ebenfalls weit unter dem Schnitt. Durch die günstige Fremdkostensituation könnte es sich damit um attraktive Vertriebsgebiete handeln.
Am oberen Ende der Preisskala findet sich die Schleswig-Holstein Netz. Trotz einer Senkung um ‑1,5 Prozent werden 15,32 ct/kWh fällig, wovon Haushalte in 1.054 Postorten betroffen sind. Mitursächlich dürften auch hier hohe Kosten für Redispatch und den Anschluss von EE-Anlagen sein. In Bayern fallen die Stadtwerke Dorfen mit einer Erhöhung um +19,8 Prozent auf 15,31 ct/kWh auf. Mit der WEMAG Netz in Mecklenburg-Vorpommern hebt außerdem ein weiterer großer Netzbetreiber den Arbeitspreis an, nämlich um +14,9 Prozent auf 15,21 ct/kWh. Davon betroffen sind Netzkunden in 408 Postorten. Zwischen den niedrigsten und höchsten vorläufigen Entgelten lässt sich somit eine Preisspreizung von 131,7 Prozent berechnen.
Bis zur Fertigstellung dieser Auswertung war die Höhe der gesetzlichen Umlagen für 2024 noch nicht bekannt. Da ihr Anteil am Strompreis spätestens seit dem laufenden Jahr deutlich geringer ausfällt als zuvor, dürften Änderungen an diesem Kostenblock nicht mehr allzu stark ins Gewicht fallen. Ungeachtet dessen müssen Vertriebe bereits mit einem deutlich steigenden Fremdkostenblock kalkulieren. „Sollte sich dies nicht durch grundlegend gesunkene Beschaffungskonditionen kompensieren lassen, stehen die Zeichen im Strom wohl erneut auf Preisanstieg“, prognostiziert Dipl.-Ing. Roland Hambach, Geschäftsführer der ene't GmbH.
Methodik: Alle Preise verstehen sich netto. Der durchschnittliche spezifische Arbeitspreis der Netzentgelte wurde nach Netzgröße (Anzahl der angeschlossenen Postleitzahl-Ort-Kombinationen) gewichtet. In den Berechnungen wurden nur Netzbetreiber berücksichtigt, die bereits ein vorläufiges Entgelt für 2024 bekanntgegeben haben. Der spezifische Kilowattstundenpreis setzt sich zusammen aus den Netzkosten (Arbeitspreis + auf die Jahresarbeit umgelegter Grundpreis) und den Kosten für das Messsystem (Standardmesskonfiguration).
Automatisch über neue Entgelte informiert werden mit dem ene't Navigator®
Mit der App Regionale Veränderungsanalyse Netznutzung SLP (Strom) auf dem ene't Navigator® können Sie jederzeit komfortabel die Änderungen in den vorläufigen Netzentgelten ermitteln. Genauso finden Sie zum Jahreswechsel mit wenigen Klicks die endgültigen Preisstellungen für das kommende Jahr, oder können historische Werte ermitteln und Preisdetails analysieren. Direkte Vergleiche zwischen unterschiedlichen Zeitpunkten sind damit ebenso in einem Schritt möglich wie zwischen vorläufigen und endgültigen Entgelten.
Mithilfe der Benachrichtigungsfunktion der Plattform werden Sie auf Wunsch auch proaktiv darüber informiert, welche Verteilnetzbetreiber neue Netznutzungsentgelte veröffentlicht haben. Dies ist wahlweise direkt im ene't Navigator® oder via E‑Mail möglich.
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